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Für jeden etwas auf dem 7. Todd-AO 70mm Festival im
Schauburg Filmtheater |
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Autor: Brian Guckian
(Ireland) |
Date:
11.03.2012 |
Überquerung
der Irischen See per Fähre, Foto von Brian Guckian
Das diesjährige Festival, das sich von Jahr zu Jahr steigert, hatte wirklich
„für jeden etwas zu bieten“. Nachdem ich bereits 2006 das
zweite Festival besucht
hatte, durfte ich in diesem Jahr zurückkehren, für ein äußerst
unterhaltsames und wirklich lehrreiches 70mm-Wochenende.
Ich beschloss, dieses Mal angemessen „episch“ zu reisen, über Land und fast
ausschließlich mit der Bahn. Ich fuhr mit der Fähre über die Irische See
nach Wales, anschließend weiter nach London, um den Eurostar durch den
Kanaltunnel nach Paris zu nehmen und von dort mit dem TGV über Straßburg
direkt nach Karlsruhe weiterzureisen. Insgesamt habe ich ungefähr 1.430 km
zurückgelegt doch das hätte ich nie gedacht, so bequem ist das Reisen mit
europäischen Hochgeschwindigkeitszügen heutzutage.
Auf dem Weg konnte ich mich in der historischen Römerstadt Chester mit
meinem Freund und Kollegen
Mike Taylor
treffen, um dort gemeinsam mit ihm ein traditionelles Lunch in einem
englischen Pub zu genießen. In einer Zeit, in der die Kino-Branche zum
digitalen Film „übergeht“, sprachen wir über befreundete und bekannte
Filmvorführer, die vor kurzem entlassen wurden oder in den Vorruhestand
gegangen sind. Zum Glück lebt 70mm weiter!
Von Chester nach London braucht man heute nur noch zwei Stunden, dank Virgin
Trains und ihren beeindruckenden Super Voyager Neigezüge. Außerdem ist die
Ankunft mitten im Herzen einer Stadt natürlich von nichts zu übertreffen,
ganz im Gegensatz zur Anreise über einen Flughafen. Nach der Übernachtung in
der geschäftigen Metropole (und das einzige, was ich in diesem Zusammenhang
zu kritisieren hätte, sind die überaus hohen Preise für sämtliche
Unterkünfte in der Londoner Innenstadt) erwartete mich am nächsten Morgen
die gotische Pracht des prunkvoll restaurierten Bahnhofs St. Pancras. Das
war ein wirklich eindrucksvolles Erlebnis: die Passagiere gelangen über eine
weitläufige Abfahrtshalle im riesigen Gewölbe des Bahnhofs in die
spektakuläre, aus einem einzigen Bogen bestehende Haupthalle mit den
Bahnsteigen. Seit Fertigstellung der HS1-Hochgeschwindigkeitsstrecke von
London zum Eurotunnel im Jahr 2007 beträgt die Fahrzeit von London St.
Pancras nach Paris Gare du Nord nur noch 2 Stunden und 20 Minuten. Nach
Ankunft im Gare du Nord und einer unglaublich angenehmen Fahrt ging es mehr
oder weniger direkt zum ebenso beeindruckenden Gare de l’Est, wo ein TGV
nach Stuttgart über Straßburg und Karlsruhe wartete. Nachdem ich Gelegenheit
hatte, mein etwas eingerostetes Französisch in der Stadt der Liebe
aufzufrischen, wurde es Zeit für die 3-stündige Hochgeschwindigkeitsfahrt
durch die Regionen Champagne-Ardenne, Lothringen und das Elsass über die
Europäische Hochgeschwindigkeitsstrecke Ost (LGV Est européenne), die
zurzeit in Baudrecourt (bei Nancy und Metz) endet; der nächste Bauabschnitt
bis Straßburg soll im Jahr 2014 fertiggestellt werden. Dies zeigt, wie sehr
sich Hochgeschwindigkeitsstrecken auf die Fahrzeiten auswirken: früher
benötigte man von Paris nach Straßburg 4 Stunden, heute beträgt die Fahrzeit
nur noch 2 Stunden und 20 Minuten und wird nach Fertigstellung der LGV Est
européenne noch weiter auf 1 Stunde und 50 Minuten reduziert.
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Todd-AO 70mm Festival im Schauburg Filmtheater
65/70mm Workshop
Internet link:
•
Schauburg.de
•
laserhotline.de
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Ankunft
im Gare du Nord, Foto von Brian Guckian
Von Straßburg bis Karlsruhe entlang des Rheintals ist es nicht mehr sehr
weit. Als ich am Donnerstagabend im Hauptbahnhof ankam, machte ich mich auf
den Weg zu meinem Hotel, das lediglich ein paar Minuten vom Kino entfernt
war. Nachdem es mir gelungen war, den größten Teil der Reise von 1.440 km
erfolgreich hinter mich zu bringen, konnte ich nun peinlicherweise die
Brauerei Wolf nicht finden, wo unser ehrenwerter Herausgeber von in70mm.com
freundlicherweise ein Treffen mit mir vereinbart hatte! Es gelang uns jedoch
schließlich ein Treffen im Renaissance Hotel, so dass nicht alle Bemühungen
umsonst waren.
Das Festival wurde am Freitagvormittag auf wunderbare Weise eingeläutet, und
zwar mit dem russischen Filmepos „Bela- Tragik einer Liebe“ (OT: „Bela
- Geroj naschego wremeni“) von 1966, das sich mithilfe von SovScope 70
die atemberaubende Gebirgslandschaft des Nordkaukasus zunutze macht, um eine
Geschichte von Romantik inmitten des Krieges zu erzählen. Dieser Film ist
eine äußerst gelungene Übung des Geschichtenerzählens im großen Stil: der
Antiheld und Offizier Petschorin (Vladimir Ivashov) stellt der hübschen und
geheimnisvollen tscherkessischen Prinzessin (Silvia Berova) nach, nach der
der Film benannt wurde, und dies alles vor dem Hintergrund des kaukasischen
Krieges. Überraschend war für mich das Tempo des Filmes, das zu keinem
Zeitpunkt erlahmt ist und stilistisch fast zeitgemäß war. Der Film war
außerdem wirklich international, denn er wurde auf Russisch mit
tschechischen Untertiteln und zusätzlichen deutschen Untertiteln gezeigt,
die von den Technikern der Schauburg digital eingeblendet wurden.
Nach der Pause war es Zeit für ein noch größeres Epos: „Die größte
Geschichte aller Zeiten“ (OT: „The Greatest Story Ever Told“) von
George Stevens, aufgenommen in
Ultra
Panavision 70. Ich muss zugeben, dass ich eine Vorliebe für biblische
Monumentalfilme habe (ich habe bereits in Bradford, GB, eine Vorführung von
John Hustons „Die Bibel“ [OT: „La Bibbia“] gesehen,
aufgenommen in Dimension 150).
Man könnte diesen Film auch „Das großartigste Ensemble aller Zeiten“ nennen,
so zahlreich waren die beteiligten namhaften Schauspieler und
Schauspielerinnen aus der damaligen Zeit, in einem weiteren Meisterwerk
cineastischer Authentizität, bei dem fehlende Szenen von den Technikern der
Schauburg sehr gelungen digital ergänzt wurden (wobei sogar die verblassten
Farben getroffen wurden), so dass die ursprüngliche Laufzeit von 197 Minuten
wieder hergestellt wurde. Ein roter Faden, der sich an diesem Wochenende
durch alle Filme zog, war die Meisterhaftigkeit der jeweiligen Regisseure in
puncto Filmemachen im Groß- / Breitwandformat, wobei häufig relativ einfache
visuelle Techniken eingesetzt wurden, um eine große Wirkung zu erzielen. So
ist zum Beispiel eine der eindrucksvollsten Szenen in „Die größte
Geschichte aller Zeiten“ die Wiedererweckung von Lazarus; sie wurde fast
vollständig in der Totale aufgenommen, so dass bei Lazarus Erscheinen am
Eingang zu seiner Grabstätte hoch oben an einem Berghang eine absolut
dramatische Wirkung erzielt wird und die Zuschauer offensichtlich dazu
aufgefordert werden, das Geschehen aus demselben Blickwinkel zu verfolgen
wie die auf der Leinwand gezeigten Einwohner. Eine weitere auffällige
Besonderheit des Films war der sehr wirksame Einsatz traditioneller Matte
Paintings, die häufig durch ein hervorragendes Compositing nahtlos in die
Handlung integriert wurden.
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Der
Vortrag von Kevin Brownlow wurde von der letzten Rolle von „Napoleon“ in
70mm auf der gekrümmten Leinwand gekrönt. Herr Brownlow verfolgt die
Vorführung aus der 5. Reihe, Foto von Thomas Hauerslev.
Ein Highlight des diesjährigen Festivals fand am Freitagabend statt, und
zwar ein Vortrag des berühmten Filmhistorikers, Archivars und Konservators Kevin Brownlow
mit dem Titel „From Biograph to Fox Grandeur: Early Experiments in Large
Format Presentations“. Dabei handelte es sich um eine faszinierende und
detaillierte Schilderung der Verwendung von Breitfilm zu Beginn des Kinos,
mit 75mm und 68mm um 1900, sowie der Ära von Patentkriegen und Rivalitäten
zwischen verschiedenen Hauptakteuren wie Thomas Edison und WKL Dickson, von
Herrn Brownlow anschaulich mit Leben gefüllt. Er hat außerdem das von Abel
Gance in "Napoleon"
verwendete Polyvision-Triptychon-Verfahren erläutert und von seinem
außergewöhnlichen sowie schicksalhaften Treffen mit Gance berichtet, durch
das seine Kinokarriere begründet wurde. Außerdem wurden das 63mm
Natural Vision
(1926), das 65mm
Fox
Grandeur (1930) und das 65mm Magnifilm (1931) Verfahren behandelt, wie
immer unter der Voraussetzung, dass Filmverfahren nichts neues sind! Gekrönt
wurde der Vortrag durch eine beeindruckende Vorführung des Triptychon-Parts
aus „Napoleon“ in 70mm, der daran erinnerte, wie fortschrittlich
Gance darin war, die Filmtechnik zugunsten der Erzählkunst
weiterzuentwickeln. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Vortrag möglicherweise
für Filmstudenten bereitgestellt wird, eventuell in Form einer Publikation.
Den Abschluss des Abends bildete eine unterhaltsame Vorführung von
"The Bat
Whispers", der in 35mm präsentiert wurde, jedoch angesichts der
ursprünglichen 65mm immer noch sehr scharf war. Mit seinen bewusst
übertriebenen Darstellungen und einer kunstvollen Inszenierung war diese
Filmvorführung vom Anfang bis zum Ende ein Vergnügen, einschließlich der
überraschenden Wendung am Ende des Films mit der anschließend auf der
Leinwand vorgebrachten dringenden Bitte, nichts zu verraten! Lange vor
Filmen wie „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ (OT:
„Airplane!“) war diese Parodie ein Genuss.
Der nächste Morgen begann mit dem inzwischen traditionellen und freudig
erwarteten Frühstückbuffet, das von Herbert Born und seinen engagierten
Mitarbeitern bereitgestellt wurde. Dabei wäre anzumerken, dass die
Verpflegung während des gesamten Wochenendes, dank der man das Kino nicht
verlassen musste, einen wichtigen Anreiz für einen Festivalbesuch darstellt,
weil man sich entspannen und unterhalten kann, ohne sich dabei Gedanken
machen zu müssen, wann die nächste Vorführung beginnt.
„Missouri“ (OT: „Wild Rovers“) von Blake Edwards war ein
unterhaltsamer und außergewöhnlicher Anti-Western, der als 35mm-Blow-Up eine
sehr gut Bildqualität hatte (von den verblassten Farben mal abgesehen). Dies
war nur eines der zahlreichen Beispiele an diesem Wochenende, bei denen sich
das 70mm-Filmformat wieder einmal als unverzichtbar für Vorführungen auf
Großbildwand erwiesen hat, mit einer wesentlich gleichmäßigeren Ausleuchtung,
einem wesentlich besseren Bildstand und einer deutlich besseren Auflösung im
Vergleich zur direkten 35mm-Projektion (die Leinwand der Schauburg misst
15,25m über die Cinerama-Krümmung .) Edwards ist zwar eher für seine
Komödien bekannt, lässt aber in diesem Film einen gekonnten Umgang mit dem
Western-Genre erkennen, mit fesselnden Darstellungen von William Holden und
Ryan O’Neal sowie interessanten frühen Auftritten von Joe Don Baker und Tom
Skerritt. Die absolut passende Musik zu dem Film stammt von dem virtuosen
und unvergessenen Komponisten Jerry Goldsmith. Das Jahr 1971 markierte in
Hollywood einen Wendepunkt, so dass man die Zusammenarbeit von Holden und
O’Neal als Reflektion des „Alten Hollywood“ bezeichnen könnte, die den Weg
für das Neue bereitet.
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„Shéhérazade“ (1963) ist eine selten gezeigte französische Produktion,
aufgenommen im
MCS Superpanorama 70
Format, mit einem geschätzten Budget von 10 Millionen Francs. Dieser Film
wurde scheinbar nur leicht von den arabischen Erzählungen aus
Tausendundeiner Nacht inspiriert und hat wesentlich mehr mit dem
Hollywood-Film „Arabische Nächte“ (OT: „Arabian Nights“) von
1942 gemeinsam. Der Film spielt im Jahr 809 n. Chr. und im Zentrum der
Handlung steht Villecroix (Gérard Barray), ein Ritter Karls des Großen, der
von dem Eroberer als Abgesandter zum Kalifen von Bagdad geschickt wird. Er
trifft auf die schöne Scheherazade (Anna Karina) und ihre anschließende
Liebschaft erregt die Eifersucht des Kalifen, der Scheherazade zum Tode
verurteilt. Ich fand den Film etwas weitschweifig, aber die Langeweile wurde
durch den Auftritt zahlreicher Filmschönheiten gemildert immer ein
Erfolgsrezept, wenn der Film leichte Schwächen hat! Das 65mm-Format war
ideal, um die beeindruckenden Weiten der marokkanischen Wüste einzufangen,
wo die Außenaufnahmen gedreht wurden, ebenso wie die Details der filigranen
und kunstvollen Bühnenbilder.
Nach Kaffee & Kuchen war es Zeit für einen kompletten Szenenwechsel mit der
für dieses Jahr zweiten Vorführung von Joe Massots
"Dance Craze"
(1981). Das war ein wirklich mitreißender Film, bei dem das 70mm-Format mit
6-Kanal-Magnetton voll ausgenutzt wurde; und endlich ein Film in satten
Farben! Dieser Konzertfilm war absolut fesselnd, brillant aufgenommen und
geschnitten, und dies noch vor fantastischen Filmen wie „Stop Making Sense“
und „Rolling Stones: At the Max“. Der Film fängt gekonnt das
Rebellische des Ska ein und stellt dem auf humorvolle Weise Material aus
seriösen britischen Informations- und Wochenschaufilmen über „die Jugend von
heute“ gegenüber. Es war toll, Bands wie Bad Manners, Madness und The Beat
zu sehen, die Klassiker wie „Mirror in the Bathroom“ und „One Step Beyond“
mithilfe der großen Leinwand auf eine angemessen „aggressive“ Art und Weise
vortragen. Bei diesem Film handelte es sich außerdem um eine hochwertige
Blow-Up-Kopie, die direkt von dem Originalnegativ angefertigt wurde, das
selbst größer als üblich war (35mm Super 1.66 Format 30% größer als das
reguläre 35mm 1.66 Format). Dieser Film verdient mehr Anerkennung und sollte
öfter gezeigt werden!
Wenn man sehen wollte, wozu das 65/70mm-Format wirklich in der Lage ist,
musste man unbedingt die Gala-Vorstellung am Samstagabend mit Kenneth
Branaghs „Hamlet“ in
Super Panavision 70
besuchen. Die absolut originalgetreue und visuell spektakuläre Adaption von
Shakespeares Meisterwerk wird mit jeder Vorführung immer besser und man
entdeckt jedes Mal neue Details, sowohl was das Stück anbelangt als auch in
Bezug auf die Inszenierung. Wenn man den Film sieht, kommt einem folgender
Satz in den Sinn: „Besser kann es nicht mehr werden“; das betont erneut den
Wert und das Potential dieses Juwels unter den Kinofilmen und dies auch noch
aus heutiger Sicht. „Hamlet“ stellt auf so vielen Ebenen eine
außerordentliche Leistung dar Darstellung, Regie, Kameraführung, Bühnenbild,
Kostümausstattung, um nur einige zu nennen und gehört zu einer ausgewählten
Anzahl von Filmen, für die nur 70mm wirklich angemessen sind. Bemerkenswert
war außerdem, dass die digitalen Effekte größtenteils nicht sichtbar waren
ein Beleg dafür, dass es auch im Jahr 1996 möglich war, digitale
VFX-Aufnahmen auf 65mm hinzubekommen. Bei dieser Vorführung kam das neue
7kW-Lampenhaus des DP 70-Projektors der Schauburg voll zur Geltung; der
Techniker Gunter Oehme erzählte mir, dass die Beleuchtungsstärke deutlich
über das normale Niveau erhöht worden sei, und das erwies sich der Aussage
eines anderen Fans zufolge als der „goldene Standard“.
Am Sonntagmorgen wurden wir in die Welt des Broadway-Theaters entführt, und
zwar durch die Präsentation von Richard Attenboroughs Adaption von „A
Chorus Line“ aus dem Jahr 1985. Wie „Dance Craze“ handelte es
sich um ein hervorragendes Blow-Up von einem Super-35-Negativ und ein
weiteres frühes Beispiel für den Einsatz dieses Filmformats. Ich muss
zugeben, dass der Film meine ursprünglichen Erwartungen übertroffen hat,
wobei der BSC-Preisträger Ronnie Taylor die potentiellen Einschränkungen
infolge der Theaterbühne als Schauplatz durch seine kreative Kameraführung
erfolgreich überwinden konnte, in Verbindung mit einem hervorragenden Pacing
des Cutters John Bloom und dem einprägsamen Musicalstück „Eins“ (OT:
„One“) von Marvin Hamlisch. Eine weitere Überraschung war die
ungeschminkte Erzählweise der Geschichte, die alle klischeehaften Vorurteile
in Bezug auf eine Theaterwelt voll „Möchtegernschauspieler” zunichte gemacht
hat. Davon blieben die Kritiker jedoch offenbar unbeeindruckt, denn die
Kritiken fielen nach der Premiere eher gemischt aus.
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Anchorman Wolfram Hannemann gibt eine Einführung zu den einzelnen Filmen,
Foto von Thomas Hauerslev
„55 Tag in Peking“ (OT: „55 Days in Peking“) lässt wie „Shéhérazade“
erkennen, dass die europäischen Produzenten in den 60er Jahren dazu in der
Lage waren, Großprojekte im Groß / Breitwandformat aufzuziehen, und, dass
die Filmindustrie damals wesentlich internationaler war als heute. Heute
könnte wahrscheinlich nur jemand wie Luc Besson eine solche Aufgabe
bewältigen, wobei mir auch der verstorbene deutsche Produzent Bernd
Eichinger in den Sinn kommt. Ich muss zugeben, dass ich an dieser Produktion
von Samuel Bronston keinen Gefallen finden konnte, vielleicht weil es dem
Film an Realität fehlt (er wurde in Spanien gedreht). Die Super Technirama-Aufnahmen
waren nach meinem Empfinden mittelmäßig und sicherlich nicht halb so gut wie
ein 65mm-Original gewesen wäre. Daher habe ich mir den zweiten Teil nach der
Pause geschenkt möglicherweise wurde der Film ja dann besser!
Die fünf lehrreichen kanadischen Kurzfilme – „A Place to Stand“,
„Multiple Man“, „Seasons in the Mind“, „Where the North
Begins“ und „Festival“ waren eine Demonstration zahlreicher, für
die damalige Zeit absolut innovativer Techniken, einschließlich einer
äußerst eleganten und gekonnten Darstellung mehrerer Filmbilder in Einem,
die in gewisser Weise an traditionelle, audiovisuelle Multimediashows
erinnert. Kanada kann natürlich auf eine erfolgreiche Geschichte im Bereich
kreativer Dokumentarfilme zurückblicken, wobei man „Multiple Man“ mit
seiner nicht erzählenden Struktur und wortlosen Darstellung der
Mannigfaltigkeit der Menschheit möglicherweise als Vorreiter von „Baraka“
betrachten könnte. Auch wenn „A Place to Stand“, „Seasons in the
Mind“ und „Festival“ eindeutig das Produkt einer bestimmten Zeit
sowie eines bestimmten Ortes darstellen und für die Stadt bzw. die Region
Ontario Werbung betreiben, gibt es zwingende künstlerische und archivarische
Gründe für eine Restauration und Kopie einiger, wenn nicht aller dieser
Filme. Neue 70mm-Kopien regulärer, kommerzieller Spielfilme könnten zwar
durch Rechtsstreitigkeiten und sonstige Probleme behindert werden, das
sollte hier jedoch kein wirkliches Problem darstellen. Wegen der verblassten
Farben konnten diese Werke sicherlich nicht ohne Einschränkung gewürdigt
werden; man sollte eventuell eine Neuveröffentlichung im DDE-70-Format in
Betracht ziehen, vor in Anbetracht der Tatsache, dass die Filme kurz sind
und nur auf der großen Leinwand zur Geltung kommen.
Mit „Stoßtrupp Gold“ (OT: „Kelly’s Heroes“) von 1970, ein
Blow-Up von 35mm Panavision, fand das Festival einen krönenden Abschluss.
Ich fand es interessant, dass das Drehbuch für diese Kriegskomödie von dem
verstorbenen Troy Kennedy Martin verfasst wurde, begnadeter Drehbuchautor
von „Charlie staubt Millionen ab“ (OT: „The Italian Job“)
sowie britischer Serienklassiker wie „Z-Cars“, „Reilly: Ace of
Spies“ und „Am Rande der Finsternis“ (OT: „Edge of Darkness“).
Dieser mit einem funky Soundtrack von Lalo Schifrin sowie dem ironischen
Song „Burning Bridges“ von The Mike Curb Congregation unterlegte Film mit
einer Mischung aus Action und Komödie und Hippie-Zwischentönen war genau der
richtige Abschluss für dieses Wochenende.
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Abfahrt
von Karlsruhe, Foto von Brian Guckian
Dank des herausragenden Engagements von Herbert Born und seinen Technikern
verliefen die Vorführungen an diesem Wochenende absolut pannenfrei, mit
erstklassigen Präsentationstechniken und zeitlich perfekt abgestimmter Musik
sowie Beleuchtung und einem sich stets pünktlich öffnenden und schließenden
Vorhang. Der Sound war nicht weniger bemerkenswert: alle 70mm-Filme wurden
in 6-Kanal-Magnetton präsentiert, mit einer absolut klaren Widergabe und
sämtlichen Markenzeichen des Magnettons. Mit seiner gewölbten Super Cinerama
Leinwand und einer erstklassigen Bild- und Tonqualität ist das Schauburg
Filmtheater unbestritten ein idealer Schauplatz für den 70mm-Film. Daher war
es nur angemessen, dass die aus Schweden angereisten Fans als Zeichen ihrer
Anerkennung am Ende des Wochenendes eine Sondervorstellung für Herbert Born
gaben.
Das diesjährige Festival zog Besucher aus ganz Europa an, einschließlich vom
KRRR! 70mm filmfestival in Krnov, Tschechien, sowie aus Österreich, der
Schweiz, Schweden, den Niederlanden, Großbritannien und sogar aus den USA.
Ergänzend zu den stets faszinierenden
Informationen, die
Wolfram Hannemann im Rahmen seiner Einführungen vermittelt hat, wurde den
Teilnehmern außerdem ein umfangreiches Programm mit ergänzenden
Fachbeiträgen und Interviews als Andenken überreicht; das lässt erkennen,
warum diese Veranstaltung ebenso lehrreich wie unterhaltsam und ein Muss für
jeden echten Cineasten ist. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an alle
Mitwirkenden auf bald im nächsten Jahr!
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22-01-25 |
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