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70mm-Filmfestival in der Schauburg |
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Written by:
Dr. Peter Kohl |
Date:
17.09.2011 |
Es kommt nicht oft vor, dass im Kino applaudiert wirdz, schließlich können
die Filmakteure nicht vor den Vorhang treten und die Gunstbezeigungen ihres
Publikums entgegennehmen. Aber nach der Vorstellung von "The Sound of
Music" wurde in der Schauburg geklatscht. Der Beifall galt einem
Musical, das in den USA geradezu kultischen Charakter hat und immer noch
dafür sorgt, dass das Salzkammergut zu den bevorzugten Reisezielen
amerikanischer Touristen zählt. Die 1965 entstandene Musicalversion der
Geschichte der Trapp-Familie, die vor den Nazis aus Österreich in die USA
floh, wurde in Deutschland unter dem Titel „Meine Lieder – meine Träume“
in verstümmelter Version gezeigt, alle Nazi-Bezüge wurden getilgt. Die
Schauburg bot bei dem 70mm-Filmfestival vom 7. bis 9. Oktober
2005 die seltene Gelegenheit "The Sound of Music" in der unverstümmelten
Originalversion zu erleben - und in dem Format, in dem der Film gedreht
wurde. Der aufbrandende Beifall galt deshalb nicht allein dem Filmmusical,
er galt auch dem Todd-AO-Format und der perfekten restaurierten Kopie. In
ähnlich guter Verfassung präsentierte sich „The Agony and the Ectasy“,
der Michelangelo-Film mit Charlton Heston, dem Breitwandhelden Hollywoods,
und der Kriegsfilm „Patton“.
Was für ein kostbares und empfindliches Gut 70mm-Filmkopien sind, machte der
Vergleich mit der Erstaufführungskopie von David Leans epischem Melodram
"Ryans Tochter" deutlich, deren Rotstich leider nicht zu übersehen war.
"Farbfading" nennen Filmexperten diesen Effekt und an Filmexperten war kein
Mangel an diesen drei Tagen in der Schauburg. Sie kamen aus Großbritannien,
den Niederlanden, Portugal, aus Frankreich und natürlich auch aus ganz
Deutschland nach Karlsruhe. Über diverse Internetplattformen wurde die Kunde
von dem Festival in aller Welt verbreitet. Die bekannteste Internetseite zum
Thema 70mm unterhält der Däne Thomas Hauerslev (www.in70mm.com), der
persönlich erschienen war, um eine Einführung in die Geschichte des
Todd-AO-Formats zu geben. In groben Zügen zeigte er auf, wie der
Filmproduzent Mike Todd die Entwicklung des Formats in den 50er Jahren
zusammen mit der Firma American Optical (AO) vorantrieb. Wie das Todd-AO-Verfahren
in die Welt kam, erste Triumphe feierte und sich schließlich doch nicht
richtig durchsetzte, das ist auch in aller Ausführlichkeit in der
Festivalbroschüre nachzulesen. Hollywood nutzte das Format aber am liebsten
für große Musicals, die dann auch das Schauburg-Programm dominierten, neben
"The Sound of Music" waren noch "Doctor Dolittle" und
"Hello Dolly" zu sehen. "My Fair Lady" wurde sogar in einer Gala-Vorstellung
gegeben, zu der man nur in Abendgarderobe erscheinen durfte. Beim Festival
wurden die Filme, wo immer es ging, nicht einfach gezeigt, sondern
zelebriert in der klassischen Roadshow-Version mit musikalischem Intro,
Pause und Schlußmusik. Filmexperte Wolfram Hannemann gab vor jedem Film
ebenso informative wie launige Einführungen in deutscher und englischer
Sprache - ein Konzept, das sich bis heute bewährt hat. Das Programm schloß
mit Kubricks Science-Fiction-Klassiker "2001" und wieder nahmen
einige Fans mit ihren kleinen Digitalkameras Schnappschüsse von dem Film auf
der großen Leinwand auf - für das Erinnerungsalbum an ein Filmwochenende von
besonderem Format.
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Internet link:
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Schauburg.de
•
laserhotline.de
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Das Todd-AO-Verfahren, das nicht nur optisch mit ungeheurer Bildschärfe und
räumlicher Tiefe, sondern auch akustisch - mit sechs getrennten magnetischen
Tonspuren – das Nonplusultra der Kinotechnik darstellte, überlebte zwar
seinen Namensgeber - Mike Todd, nebenbei zweiter Gatte von Elisabeth Taylor,
kam 1958 bei einem Flugzeugunglück ums Leben - doch der große Durchbruch des
aufwändigen Verfahrens stellte sich nicht ein. Als 1968 ein deutscher
Ableger der amerikanischen Cinerama-Gruppe die Schauburg übernahm und auf
das Breitwandformat umrüstete, war dessen Glanzzeit schon vorbei. Doch die
Fehlspekulation erwies sich im Nachhinein als Glücksfall. Die Karlsruher
Schauburg ist als eines von wenigen Kinos in Deutschland (und auch weltweit)
mit 70mm-Projektoren ausgerüstet und verfügt auch noch in seinem großen Saal
über die für das Format passende, gekrümmte breite Leinwand. Nachdem Georg
Fricker die Schauburg übernommen hatte, präsentierte er, als bekennender
Anhänger des ganz großen Hollywoodkinos, immer mal wieder einen
70mm-Klassiker. Herbert Born führt diese Tradition fort und setzte mit der
Etablierung eines Festivals noch einen drauf.
Der erste Anlauf war so erfolgreich, dass ein Jahr später vom 6. bis 8.
Oktober 2006 das zweite offizielle 70mm Festival über die Schauburg-Bühne
ging - mit einer erlesenen Mischung: die audiovisuelle Symphonie "Baraka“ (ein
absoluter Geheimtipp), das rasante Starvehikel "Grand Prix", der
erste und einzige linke Monumentalfilm "Spartacus", die zweite, farbige
Filmversion von "Meuterei auf der Bounty" (historisch korrekt im
anamorphotischen „Ultra Panavision“-Format präsentiert!), das
Einwandereropus "In einem fernen Land", das farbenfrohe, beschwingte Musical
"South Pacific", der Kriegsfilm "Agenten sterben einsam", u.a.
mit Clint Eastwood und Richard Burton, der bei dem Festival noch einen
zweiten Auftritt hatte an der Seite seiner künftigen Gattin und Todd-Witwe
Elizabeth Taylor in dem vierstündigen Historienschinken "Cleopatra". In einer Gala-Vorstellung ging die "Titanic" noch einmal in voller
Pracht unter. Das Festival schloß mit "Terminator 2" mit Arnold
Schwarzenegger in voller Muskelpracht und alter Frische.
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Fast genau ein Jahr später, vom 5. bis 7. Oktober
2007, traf sich die
70mm-Gemeinde wieder in der Schauburg. Zu sehen gab es u.a. die klassischen
Monumentalfilme „Ben Hur“ und „El Cid“, das koloniale
Abenteuerepos „Khartoum“ und in der Originalversion „The King and
I“, die klassische Version der Liebesgeschichte zwischen einer
englischen Gouvernante (Deborah Kerr) und dem König von Siam, dargestellt
von Yul Brynner. Der berühmteste Glatzkopf Hollywoods spielte auch die
Titelrolle in „Taras Bulba“, der Verfilmung einer Erzählung von
Nikolai Gogol über einen Kosakenhäuptling, der im 16. Jahrhundert gegen die
Türken kämpft. Auch das Südstaaten-Melodram „Onkel Toms Hütte“, das
historische Erotik-Epos „Kaiserliche Venus“ und der U-Boot-Kriegsfilm
„Eisstation Zebra“ kamen zur Aufführung. Ein besonderes Schmankerl
war Jacques Tatis raffiniertes Meisterwerk „Playtime“ in einer
glänzend restaurierten Fassung. Der brachiale Rausschmeißer am Ende des
Festivals war Peckinpahs Superwestern „The Wild Bunch“.
Beim vierten Todd-AO-70mm-Festival vom 3. bis 5. Oktober
2008 freuten sich
die Filmfreunde u.a. auf: „Star!“, eine opulente Darstellung des Lebens der
Schauspielerin Gertrud Lawrence; „Song of Norway“, eine romanhafte
Darstellung des Lebens von Edvard Grieg, in der sich gepflegte Langeweile
und unfreiwillige Komik die Hand reichen; „In achtzig Tagen um die Welt“,
die farbenfrohe, mit Stars aus aller Welt gespickte Verfilmung eines Buches
von Jules Verne, die von Michael Todd produziert wurde und ausnahmsweise in
35mm CineStage gezeigt wurde; „Die Bibel“, John Hustons grandios
gescheiterter Versuch das Alte Testament zu verfilmen; Pink Floyds
Rockoratorium „The Wall“, das mit viel Dezibel den Saal in
Schwingungen versetzte. Eine echte Wiederentdeckung war „Das vergessene
Tal“, ein fast vergessener Historienfilm mit Michael Caine und Omar
Sharif. Alles in den Schatten stellte aber „Lawrence von Arabien“,
David Leans Meisterwerk in einer restaurierten Fassung.
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Auch am ersten Oktober-Wochenende
2009 (2. bis 4.10.) kamen die Filmfreaks
von weit her und wieder war der Gabentisch reich gedeckt. Ein paar Klassiker
waren darunter: „Julius Caesar“, die grandios besetzte
Hollywoodversion des Shakespeare-Stücks, die Bibelschmonzette „Salomon
und die Königin von Saba“, das mit Stars gespickte Monumentalepos „Der
Untergang des römischen Reiches“, die sehr erfolgreiche oscargekrönte
Musicalverfilmung „Funny Girl“ mit Barbra Streisand und das etwas weniger
erfolgreiche Western-Musical „Paint Your Wagon“. Kein Hit zu seiner
Zeit an den Kinokassen war auch der Kriegsfilm „Erster Sieg“ von Otto
Preminger mit einem bemerkenswert zurückhaltenden John Wayne in der
Hauptrolle. Als Kuriosität sind der Gaucho-Western „Die Verfluchten der
Pampas“ und der Katastrophenfilm „Krakatoa“ zu verbuchen. Eine
Wiederentdeckung war „Uzala, der Kirgise“, ein epischer Film über die
Kartographierung Sibiriens um 1900, den der japanische Meisterregisseur
Akira Kurosawa in den Weiten Russlands drehte. Zu einer „Traumreise unter
weissen Segeln“ lud der 1962 gedrehte deutsche Kulturfilm „Flying Clipper“ ein. Filmnostalgie boten das auf 70mm aufgeblasene französische Melodram
„Paris, Paris“, eine Hommage auf das Paris der 30er-Jahre, und das
Kaleidoskop aus Kabinettstücken aus mehreren Jahrzehnten, mit denen der
Filmriese MGM sich 1974 selbst feierte: „That´s Entertainment!“.
Ein Motto, das auch über dem 70mm-Festival stehen könnte, das vom 1. bis 3.
Oktober 2010 in die sechste Runde ging. Auf dem Programm standen u.a. das
melodramatische Spektakel „Zirkuswelt“ mit illustrer Starbesetzung (John
Wayne, Rita Hayworth, Claudia Cardinale), Spielbergs grandioses Action-Abenteuer
„Indiana Jones und der Tempel des Todes“; die kultige Musical-Verfilmung
„Grease“; „Cheyenne“, der letzte Western von John Ford,; "Lord Jim“, die Verfilmung des Romans von Joseph Conrad;
„König der Könige“, die breit
ausgepinselte Verfilmung der Lebens- und Leidensgeschichte von Jesus
Christus, diesmal in Gestalt von Jeffrey Hunter; „Das Zigeunerlager zieht in
den Himmel“, einer der erfolgreichsten sowjetrussischen Filme überhaupt und
immer noch ein Kultfilm des Ostens; „Jenseits von Afrika“, Sidney Pollacks
episches Melodram, frei nach Tania Blixens Roman über ihre Jahre in Afrika.
Und dann gab es noch besondere Schmankerl, zwei Filme, die vorher kaum einer
gesehen hatte: „Scent of Mystery“ eine irrsinnige Schnitzeljagd durch
Spanien, die 1960 die Ära des Films mit Geruch (Smell O Vision) einläuten
sollte und danach fast spurlos verduftete, und „Das Goldene Haupt“, 1962 in
Super Technirama gedreht, eine naive Räuber- und Gendarm-Geschichte um ein
gestohlenes Kunstwerk in Ungarn. Das Wiedersehen mit diesem Trash De Luxe
machte ein Riesenvergnügen, zumal es sich einer der Darsteller, der einstige
Teeniestar Jess Conrad nicht nehmen ließ, persönlich bei einer der seltenen
Wiederaufführungen zugegen zu sein.
Und zur Erinnerung gibt es nicht nur mehr oder weniger scharfe Fotos von dem
Geschehen auf der Leinwand, sondern auch zu jedem Festival opulent
gestaltete Programmhefte, die kaum eine Frage in Sachen 70mm-Film
unbeantwortet lassen. Für die Freunde des 70mm-Films findet die schönste
Bescherung des Jahres nicht im Dezember an Weihnachten statt, sondern Anfang
Oktober in der Schauburg.
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22-01-25 |
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