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1930 Magnifilm
1930 Realife
1930 Vitascope
1952 Cinerama
1953 CinemaScope
1955 Todd-AO
1955 Circle Vision 360
1956 CinemaScope 55
1957 Ultra Panavision 70
1958 Cinemiracle
1958 Kinopanorama
1959 Super Panavision 70
1959 Super Technirama 70
1960 Smell-O-Vision
1961 Sovscope 70
1962
Cinerama 360
1962 MCS-70
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1963 Circarama
1963 Circlorama
1966 Dimension 150
1966
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1967 DEFA 70
1967 Pik-A-Movie
1970 IMAX / Omnimax
1974 Cinema 180
1974 SENSURROUND
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1984 Showscan
1984 Swissorama
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1989 ARRI 765
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The Widest Story Ever Told:
Ultra Panavision / MGM Camera 65

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Von: Christian Appelt. First published in the 2015 "Todd-AO Festival" Souvenir Program Date: 01.01.2016
Als Quentin Tarantino 2014 ankündigte, seinen achten Spielfilm unter dem Titel The Hateful Eight im Format SuperCinemaScope drehen zu wollen, vermuteten viele, es handele sich um einen nostalgischen Gag, vergleichbar dem “ShawScope”-Logo, das der Regisseur Kill Bill voranstellte, der aber nicht anamorphotisch und schon gar nicht mit Objektiven aus den 1970ern gedreht war. 1)

Für weitere Verwirrung sorgte der anfangs benutzte Begriff “SuperCinemaScope”, der in den ersten Plakatentwürfen als Logo auftauchte. “SuperCinemaScope” war nämlich eine frühe Bezeichnung für das
CinemaScope 55-Format, in dem 1955/56 lediglich zwei Spielfilme gedreht wurden - die Musicals Carousel und The King and I.

Daß Tarantino die einzig noch existierende CinemaScope-55-Kamera aus den Räumen der American Society of Cinematographers entführen, sich von Kodak 55,625 breiten Rohfilm zuschneiden und mit den 60 Jahre alten Bausch & Lomb-Anamorphoten drehen würde, war nicht anzunehmen. Was er sich vorgenommen hatte, war nicht weniger außergewöhnlich (oder verrückt): Nachdem im Lauf des Jahr 2013 zumindest in westlichen Filmtheatern das perforierte 35-mm-Filmband von digitaler Projektion abgelöst wurde und die meisten Kino- und TV-Produktionen von auf Digitalkameras umgeschwenkt waren, beschloß Tarantino, seinen Western The Hateful Eight in einem System zu drehen

• in dem seit fast 50 Jahren kein Film mehr aufgenommen und projiziert wurde,
• in dem nur insgesamt 10 Spielfilme gedreht wurden,
• für das kaum ein Kino weltweit die geeignete Bildwandbreite besitzt,
• dessen Aufnahme-Objektive aus den Jahren 1956-1965 stammen,
• dessen Bildseitenverhältnis (aspect ratio) in keiner Weise mit den üblichen analogen und digitalen Kinoformaten übereinstimmt, ebenso wenig mit den Seitenverhältnissen von Fernsehen, DVD oder BluRay.

Das Produktionsformat hieß Ultra Panavision 70, und gedreht wurde mit den historischen Objektiven, die bereits für Klassiker wie Ben-Hur, Mutiny on the Bounty oder It’s a Mad, Mad, Mad, Mad World eingesetzt wurden.
2) Es war mit einem Seitenverhältnis von 1:2,76 das breiteste in der Spielfilmproduktion eingesetzte Format, und die Filmografie umfasst lediglichzehn Titel.

Um die Frage zu beantworten, was es mit diesem exotischen Filmformat auf sich hat, stellen wir unsere Zeitmaschine auf das Jahr 1956 ein. Wir befinden uns nun vier Jahre nach der Premiere von Cinerama am Broadway, drei Jahre nach der weitgehend erfolgreichen Einführung von CinemaScope in den Filmtheatern der Welt.
3)

Die Filmgeschichtsschreibung faßt die Ereignisse der frühen fünfziger Jahre etwa so zusammen: Harte Konkurrenz durch das neue Medium Fernsehen veranlasste die Filmindustrie, eine unübersehbare Zahl von konkurrierenden 3D- und Breitwandsystemen auf den Markt zu werfen, um den Besucherrückgang aufzuhalten. Das funktionierte einige Jahre, bis schließlich in den 1960er Jahren das klassische Hollywood-Studiosystem in sich zusammenbrach und diversifizierte Mischkonzerne Hollywood übernahmen. Tatsächlich war nicht das Fernsehen allein schuld, sondern eine Reihe gesellschaftlicher Veränderungen in der Folge des 2. Weltkriegs wirkten zusammen. 1948 zwang ein Kartellurteil die Studios, ihre eigenen Kinoketten aufzugeben, damit fiel die sichere Abspielbasis aller Filme in den firmeneigenen Theatern weg. Auf einmal mußte jeder Film für sich vermarktet werden, auch der gewohnheitsmäßige wöchentliche Kinobesuch war nicht mehr die Regel. In dieser wirtschaftlich beunruhigenden Lage war das Cinerama-Verfahren ein Phänomen: Um This Is Cinerama zu sehen, einen Film ohne Stars und Handlung, standen nicht nur die New Yorker Kinobesucher Schlange, sondern aus ganz Amerika pilgerten Schaulustige nach New York, um auf der gigantischen, tiefgewölbten Panoramabildwand die Illusion des Dabeiseins zu erleben. Rummelplatz? Vielleicht - aber wenn eine technische Neuerung für volle Kassen sorgte, mußten auch die Filmstudios einen Blick darauf werfen. Das System war außerhalb der eigentlichen Filmindustrie entwickelt und vermarktet worden, und die technischen Fachleute der Studios teilten ihren Chefs mit, daß der Effekt eindrucksvoll, der technische Aufwand bei der Herstellung und Aufführung aber für die reguläre Filmproduktion viel zu aufwendig sei. Die Studios machten um Cinerama einen großen Bogen, und das sollte ein Jahrzehnt lang so bleiben.
 
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CinemaScope imitiert Cinerama

 
230mm Camera 65 focal length lens that was used on “Ben Hur”. Image by Tak Miyagishima, Panavision

Während der kurzlebigen Welle des 3-D-Films (1952-1954), arbeitete Earl Sponable bei 20th Century Fox an der Quadratur des Kreises. Sein Auftrag: Den Cinerama-Effekt so zu imitieren, daß man den 35-mm-Film für Aufnahme und Vorführung in den Kinos beibehalten konnte. Wie schwierig es war, auf der Kinoseite neue Projektoren einzuführen, hatten die Techniker bereits in der kurzen Breitfilm-Phase Anfang der 1930er Jahre erfahren.
4)

Sponable und sein Entwicklungsteam lösten das Problem, indem sie den 35-mm-Filmstreifen bis zum letzten Quadratmillimeter ausnutzten. Mittels anamorphotischer Speziallinsen brachten sie ein komprimiertes Breitbild ins nahezu quadratische 35-mm-Format, vier Tonkanäle auf Magnetspuren direkt auf dem Filmstreifen brachten stereophonen Raumton in den Kinosaal.

Als Low-Budget-Cinerama wirkte CinemaScope (Seitenverhältnis 1:2,55 – später auf 2,35 reduziert) in seiner optimalen Form gegenüber dem sonst üblichen 1:1,37-Normalbild mit Mono-Lichtton äußerst eindrucksvoll, aber es konnte den “Anwesenheitseffekt” von Cinerama nicht kopieren. Der ergab sich nämlich nicht nur aus dem großen Panoramabild, sondern aus der Kombination von drei weitwinkeligen Aufnahmeoptiken und dem 146° abdeckenden Blickwinkel, der das natürliche Sehfeld nachahmte.

CinemaScope stellte nicht einfach eine technische Neuerung dar, sondern einen radikalen Schritt in der Firmenpolitik von 20th Century Fox, bei dem mit Umstellung der Eigenproduktion auf das neue Format alles auf eine Karte gesetzt wurde. Beabsichtigt war auch, die damals drohende feindliche Übernahme des Studios durch Investoren zu verhindern.
5)

Als sich CinemaScope durchsetzte, begannen einige Studios, eigene konkurrierende Breitbildverfahren zu entwerfen, andere sprangen auf den fahrenden CinemaScope-Zug auf und zahlten Lizenzgebühren an 20th Century Fox, um ihre eigenen Produktionen in diesem Format herzustellen. Es galt nun, in kurzer Zeit möglichst viele Filmtheater weltweit auf CinemaScope umzurüsten. Das war ein eigenes Komplettpaket: neue Bildwände, 4- Kanal-Magnetton-Anlagen und vor allem Anamorphoten. Weil damals mit zwei Filmprojektoren vorgeführt wurde, benötigte jedes Kino gleich zwei dieser Speziallinsen, die die horizontale Kompression aufhoben und aus dem fast quadratischen Filmbild ein breitwandfüllendes Projektionsbild zauberten. Die Fox verkaufte Anamorphoten ihres Vertragspartners Bausch & Lomb über ihre eigens gegründete Tochterfirma CinemaScope, Inc. Wer nicht dort kaufen wollte, mußte sich im Ausland umsehen - zum Beispiel bei den Optischen Werken Möller in Deutschland oder dem französischen Hersteller SATEC.

Die Ende 1953 gegründete Firma Panavision Inc. bot den Kinobetreibern einen speziellen Vorsatz aus zwei gegeneinander verstellbaren Prismen unter der Bezeichnung “Super Panatar” an. Man konnte damit normale CinemaScope-Filme (Kompressionsfaktor 2) vorführen, aber durch Verdrehen der Prismen den Vorsatz auch auf andere Faktoren einstellen. Der Kinobesitzer war also auf der sicheren Seite, wenn sich ein Filmstudio plötzlich entschließen sollte, anamorphotische Filme mit einem Faktor von 1,5 oder 1,75 auszuliefern. Ein Dreh am Knopf, und die Anamorphose war stufenlos einstellbar.
6)

Nach diesem ersten Erfolg entwickelte Panavision ein anamorphotisches Kopierobjektiv, mit dem man von Scopefilmen entzerrte Normalbildfassungen herstellen oder aus Normalbildmaterial CinemaScope-Ausschnitte kopieren konnte. Dieses Micro-Panatar genannte Objektiv erlaubte es, bei CinemaScope-Produktionen auf parallel gedrehte Normalbildfassungen zu verzichten. Das für Fernsehkopien, 16mm-Schmalfilm oder Kinos ohne Breitwand benötigte 1:1,37-Format konnte man nunmehr optisch aus dem CinemaScope-Negativ gewinnen.
7)

Nun ein kleiner Zeitsprung ins Jahr 1956. Bei Metro-Goldwyn-Mayer hatte man die technische Entwicklung der letzten vier Jahre genau analysiert und verschiedene Schlüsse gezogen. Ein Teil der eigenen A-Produktion wurde weiterhin in CinemaScope gedreht, aber die technischen Unzulänglichkeiten des Verfahrens machten den Technikern zu schaffen. Bei sehr großer Projektion stieß man an die Grenzen des 35-mm-Formates, weil das Korn der fotografischen Emulsion sichtbar wurde. Immerhin wurde das Filmbild auf nahezu die doppelte Breite vergrößert.

35mm war zu klein, Cinerama zu kompliziert – als Lösung bot sich die Aufnahme in größeren Filmformaten an. 1955 erscheint mit Oklahoma! der erste Spielfilm in Todd-AO, aufgenommen auf 65mm breitem Negativ, das der dreifachen Fläche eines 35-mm-Bildchens entspricht. Die 70mm breiten Vorführkopien erlaubten eine hochauflösende, gestochen scharfe und kornfrei erscheinende Projektion selbst auf größten Bildwänden. Auch kam der sechskanalige Stereo-Magnetton dem Raumtonerlebnis von Cinerama (7 Kanäle) sehr nah. Allerdings betrug die Bildfrequenz 30 statt der üblichen 24 Bilder pro Sekunde - parallel zur Breitfilmfassung entstand eine 35-mm-CinemaScope-Version mit 24 B/s, um auch Kinos ohne Breitfilmtechnik bespielen zu können.

Der Erfolg von Todd-AO bewies, daß ein in Bild und Ton hochwertiges Kinoerlebnis auf dem Roadshow-Markt große Gewinne versprach. Technisch war man bei MGM durchaus beeindruckt von Todd-AO, wollte aber aus firmenpolitischen Gründen nicht wie im Falle CinemaScope Geld ausgeben, um ein fremdes Verfahren in Lizenz benutzen zu dürfen.
 
 

MGMs Analyse der Systeme

 
Wer sich mit Filmtechnik-Geschichte befaßt, muss die Wahrheit oft genug aus technisch unzulänglichen PR-Texten, halbinformiert geschriebenen zeitgenössischen Fachartikeln und lückenhaft recherchierten oder abgeschriebenen Büchern rekonstruieren. Niedergeschriebene und mündliche Erinnerungen von Zeitzeugen helfen manchmal weiter, oft führen sie aber auch wegen Erinnerungslücken und Verwechslungen nur weiter in die Irre. 8)

In diesem Fall gibt es glücklicherweise ein klar strukturiertes Dokument, das die Motive und Abwägungen hinter dem Design von MGMs neuem Filmformates klar beleuchtet.
9)

Douglas Shearer (1899-1971) war von 1928 bis 1968 bei MGM angestellt, er ist in den meisten Fällen als Recording Director - also Leiter der Tonabteilung - ausgewiesen. 1955 machte man ihn zum Director of Technical Research, um alle Fragen und Strategien im Zusammenhang mit neuen Bild- und Tonverfahren zu bearbeiten. Bereits 1953 hatte die MGM-Kameraabteilung ein System mit querlaufendem 35-mm-Film vorgeschlagen, ähnlich Paramounts VistaVision, wie es ein Jahr darauf vorgestellt wurde.
10) Der Bildschritt sollte allerdings zehn statt acht Perforationslöcher betragen, so daß man das entstehende Breitbild ohne Beschnitt auf Standard-Cinemascope umkopieren konnte. Wie bei VistaVision sollte durch Reduktion des größeren Negativs Auflösung und Schärfe der 35-mm-Kinokopie gesteigert werden. Shearer verfolgte diesen Weg nicht weiter, denn das mittlerweile durch Todd-AO eingeführte 65-mm-Format schien ihm ein besseres Vorbild zu sein. Ein übergroßes Aufnahme- und Projektionsformat auf breitem Film war eindeutig der Schlüssel, um alle optischen Probleme der bisherigen Breitbildtechnik zu lösen. 11)

Mike Todd war eine der treibenden Kräfte hinter Cinerama gewesen, hatte aber wegen verschiedener Differenzen seine Anteile verkauft, noch bevor This Is Cinerama Premiere hatte. Danach begann er sofort, mithilfe der American Optical Co. sein eigenes “Cinerama out of one hole” entwickeln zu lassen, also ein Filmformat, das den überwältigenden räumlichen Effekt von Cinerama mit nur einer Kamera und einem Projektor erzeugen sollte. Die dreistreifige Technik von Cinerama war nicht nur bei der Produktion unglaublich teuer, auch die reguläre Vorführung in den eigens umgebauten Theatern benötigte bis zu 12 Techniker gleichzeitig. Da die Filmvorführer wie der Rest der US-Filmindustrie bestens gewerkschaftlich organisiert waren, schied Cinerama aus Kostengründen selbst für exklusive Roadshows in normalen Filmtheatern aus.

Verschiedene Kameratests für Todd-AO fanden in den MGM Studios statt, auch an Oklahoma! war MGM-Vertragspersonal beteiligt, zum Beispiel Kameramann Robert Surtees. Man kann davon ausgehen, daß Douglas Shearer als Abteilungsleiter bei MGM über den technischen Hintergrund und die Details von Todd-AO bestens informiert war. Er hatte auch die Erfahrungen mit den konkurrierenden Systemen VistaVision und CinemaScope 55 analysiert und seine Schlußfolgerungen daraus gezogen. Was konnte man nun aus den Verfahren der Konkurrenz lernen?

• Das Aufnahmeformat musste nicht dem Wiedergabeformat entsprechen. Nahm man auf größeren Filmformaten auf, enthielt das Bild mehr Information und Auflösung, außerdem reduzierte sich das sowohl bei Farbe als auch bei Schwarzweiß sichtbare störende Korn der Filmemulsion (Silber- bzw. Farbstoff-Struktur des Bildes).

• Durch optische Umkopierung war es möglich, große Bildformate auf kleinere zu reduzieren und dabei die hohe Bildgüte weitgehend zu erhalten. Anamorphotische Kompression konnte durch geeignete Kopieroptiken erzeugt oder aufgehoben werden.

• Aus einem großen Aufnahmeformat liessen sich Filmbilder mit verschiedenen Seitenverhältnissen herauskopieren, wenn die Ausgangsqualität gut genug war.

• Für Roadshow-Vorführungen mit überdimensionalen Bildwänden waren großformatige Vorführkopien vorzuziehen, weil sie die bestmögliche Qualität boten, während für die Auswertung in normalen Kinos unbedingt das gewohnte 35-mm-Filmformat benötigt wurde. Nur wenige Filmtheater waren bereit, auf neue Projektionstechnik und –verfahren umzurüsten.
 
 

Gesucht: Ein universales Format für alle Zwecke

 
The Panavision Micro Panatar lens. Picture supplied by Tak Miyagishima, Panavision.

Aus dieser Analyse ergab sich der Wunschzettel für ein neu zu schaffendes Universalformat, in dem zukünftige MGM-Prestigeproduktionen entstehen wollten. Shearer umriß die vorgeschlagenen Eckpunkte und begründete sie technisch:

• Das Negativformat sollte groß genug sein, um verschiedene Endformate bei bester Auflösung und Bildgüte herauszukopieren. Als Basis empfahl er das bei Todd-AO verwendete 65-mm- Bild mit 5-Loch Transportschritt. Weitere Flächenvergrößerung sei nicht effizient, wie das Beispiel von CinemaScope 55 zeige: Die vierfache Vergrößerung der Negativfläche ergebe keine weitere Verbesserung, sondern nur mehr Filmverbrauch. Die 2,5-fache Fläche des 65-mm-Bildes sei ideal.

• Das aufgenommene Seitenverhältnis sollte auf jeden Fall breiter sein als 1:2,21 bei Todd-AO. 35-mm-Reduktionskopien sollten dem eingeführten CinemaScope (1:2,55) nahekommen, für spezielle Roadshow-Aufführungen sollte eine Bildbreite bis zu 1:3 (ähnlich Cinerama) möglich sein. Dazu benötigte man anamorphotische Objektive. Shearer schlug einen mäßigen Kompressionsfaktor von maximal 25% vor, um optische Fehler in Grenzen zu halten. Als Negativbeispiel führte er abermals CinemaScope 55 an, welches bei der Aufnahme den Faktor 2 verwendete und deshalb nicht die Auflösung linear zur Bildfläche steigern konnte.
12)

• Das System sollte frei sein von den geometrischen Verzeichnungen und Abbildungsfehlern, die durch die damaligen Anamorphoten der CinemaScope-Technik entstanden. Besonders erwähnt werden gebogene Linien und Horizonte sowie das Schmalerwerden von Objekten am Bildrand.

• Die Bildfrequenz durfte nicht von den üblichen 24 Bildern pro Sekunde abweichen, um Probleme in der herkömmlichen Kino-Auswertung zu vermeiden. Das spielt natürlich auf die 30 B/s bei Todd-AO und die 26 B/s von Cinerama an. Erst beim zweiten Todd-AO-Film entstand parallel eine Breitfilmfassung mit 24 Bildern, von der 35-mm-Kopien reduziert werden konnten, und ab South Pacific (1958) gab Todd-AO nur noch in 24B/s. Cinerama blieb bis 1962 bei 26 B/s. Douglas Shearer hielt die Technik des Doppel-Drehs mit zwei Frequenzen jedenfalls für finanziell untragbar.

• 35-mm-Kopien konnten vom anamorphotischen 65mm-Breitfilmnegativ entweder über ein 35-mm-Internegativ und Kontaktkopierung oder im Technicolor-Druckverfahren (imbibition printing)
13) entstehen. Dabei sei die Micro-Panatar Kopieroptik von Panavision derzeit die einzige hochwertige Lösung. Shearer ging davon aus, daß Todd-AO diese Reduktionskopierung nicht in bester Qualität leisten könne und bezweifelte, daß Panavision dem Konkurrenzsystem Kopieroptiken in Lizenz zur Verfügung stellen werde.

Projektion auf gewölbte Bildwände sei mit dem neuen MGM/Panavision 65-mm-Format ohne weiteres möglich, wobei nicht mehr Verzeichnungen entstünden als bei anderen Systemen. Das ist sicher richtig, dient aber zweifellos auch zur Beruhigung der Chefetage, ähnlich wie die Bemerkungen über das Bildflackern. Shearer meint, man könne nötigenfalls die Projektoren mit einer Dreiflügelblende ausstatten, und Lichtreserven gebe es genug, um den daraus resultierenden Helligkeitsverlust auszugleichen. Das ist theoretisch wohl möglich, in der Praxis war das beim Philips DP70 Breitfilmprojektor, der jahrelang die Roadshowtheater dominierte, konstruktiv überhaupt nicht möglich. Auch ließ das flächenmäßig größere Filmbild höhere Lichtströme und Wärmebelastung zu, aber die Ausleuchtung sehr großer Bildwände blieb trotzdem eine Herausforderung. Bei allem Respekt liegt die Vermutung nahe, daß Shearer damit eine weitere Diskussion der Bildfrequenzfrage vermeiden wollte. Auch die Betonung der extremen Seitenverhältnisse von 1:3 ist wohl mehr als Absicherung zu verstehen, weil zu diesem Zeitpunkt völlig ungewiß war, ob Cinerama zur Spielfilmproduktion übergehen würde und ob dreistreifige Vorführung von MGM-Filmen eine Option werden könnte. Die Möglichkeit, aus dem neuen MGM-Format Cinerama-Kopien herauszukopieren, wird immerhin erwähnt.

Shearers Memo wurde positiv aufgenommen, MGM folgte seinen Empfehlungen und beauftragte Panavision Inc.
14), Kameras und Objektive des neuen Formates zu liefern, das bald auf den eigenartigen Namen “MGM Camera 65” mit dem blumigen Zusatz “Window of the World” getauft wurde.
 
 

Ein erster Bewährungstest für MGM Camera 65: Im Land des Regenbaums

 
Am 12. Oktober 1956 präsentierte MGM Camera 65 im Rahmen der SMPTE-Konferenz in einer Demonstrationsvorführung. Douglas Shearer und Robert Gottschalk von Panavision stellten die Flexibilität des Formats heraus. “Vom Standpunkt des Produzenten aus ist die Wahlmöglichkeit des endgültigen Verleihformats einer der Vorzüge dieses 65-mm-Verfahrens”, erklärte Gottschalk, “er benötigt nur mehr eine Kamera, ein Team und ein Negativ, so daß er nach Fertigstellung des Films entscheiden kann, welches Auswertungsformat das passende sein wird.”

Elizabeth Taylor, Eva Marie Saint und Montgomery Clift betrachten für ein Pressefoto zu Raintree County einen 70-mm-Filmstreifen

Die erste Camera 65-Produktion war Raintree County (dt.: Im Land des Regenbaums), eine Bürgerkriegsgeschichte unter der Regie von Edward Dmytryk. MGM hoffte anfangs, an den Erfolg von Gone With the Wind (dt.: Vom Winde verweht, 1939) anzuknüpfen zu können, was aber nicht eintrat. Immerhin demonstrierte Raintree County, daß das Konzept von Camera 65 funktionierte, denn die 35-mm-Scope-Reduktionskopien auf Eastmancolor waren technisch hervorragend. 70-mm-Kopien gab es in der regulären Kinoauswertung nicht, weil sämtliche auf 70-mm- Projektion eingerichtete Kinos mit den monatelang laufenden Todd-AO-Produktionen Oklahoma! und Around the World in 80 Days belegt waren. Also betrachtete man Raintree County als Achtungserfolg und Testlauf für die schon seit Jahren geplante Großproduktion von Ben-Hur (1959). Die Dreharbeiten begannen 1958, insgesamt waren sieben von Panavision umgebaute 65-mm-Kameras mit Apo-Panatar-Objektiven im Einsatz.

Über den weltweiten Erfolg und die bis heute andauernde Popularität von Ben-Hur muß nicht viel gesagt werden.
15) Sicher ist, daß MGM sich durch den Erfolg in der kommerziellen Wirksamkeit der 65-mm-Aufnahme für zukünftige A-Filme bestärkt sah. Ben-Hur kam mit 65 Kopien in 70mm vom Kameranegativ und etwa 400 Technicolor-Kopien in 35mm in die Kinos, wobei nicht klar ist, ob das die Kopien für ausländische Märkte miteinschloß. Merle Chamberlin von MGM gab die Herstellungskosten mit 1.700$ für jede 35mm-Kopie in Magnetton und 8.750$ für jede 70-mm-Breitfilmkopie an. Insgesamt gab das Studio zur Erstaufführung 1.240.000$ für Ben-Hur-Kopien aus. 16)
 
 

Schiffbruch in der Südsee und ein Namenswechsel

 
Als nächster Camera-65-Film stand eine Neuverfilmung von Mutiny on the Bounty (dt. Meuterei auf der Bounty) auf dem Plan, ein bewährter und exotischer Stoff, der reiche optische Ausbeute für das breite Format versprach. Aber die Produktion mit Aufnahmen an farbenprächtigen Südseeschauplätzen stand unter keinem guten Stern. Carol Reed wurde als Regisseur abgelöst, der Hauptdarsteller Marlon Brando übernahm zeitweilig die Regie, und schließlich rief man Lewis Milestone hinzu, um als troubleshooter die aus dem Ruder gelaufene Produktion zuende bringen. Mutiny überzog den Zeit- und Kostenplan immens, worauf MGM später zur finanziellen Schadensbegrenzung die eigene Kameraabteilung auflöste. Zukünftig lieh man sich die Aufnahmetechnik bei Panavision aus. Damit war auch das Ende der Marke “MGM Camera 65” besiegelt, ab sofort hieß das Verfahren Ultra Panavision (mit oder ohne “70”-Appendix).

Technisch gab es keinen Unterschied zwischen Camera 65 und Ultra Panavision. Ältere Quellen geben zuweilen an, Camera 65 habe den anamorphotischen Faktor 1,33 verwendet, während es bei Ultra Panavision nur 1,25 gewesen sei. Dieser Irrtum ist durch Shearers Dokument und durch Auskünfte der Firma Panavision widerlegt. Martin Hart vom American Wide Screen Museum hat nachgewiesen, daß die erhaltenen Apo-Panatar-Prismenanamorphoten der ersten Serie zwar mit 1,33x graviert wurden, der Faktor aber nach den ersten Testaufnahmen auf 1,25 reduziert wurde.
17) Etwa um die Zeit der Bounty-Dreharbeiten konstruierte Panavision allerdings zusätzliche neue Anamorphoten, die nicht mehr mit Prismen arbeiteten sondern mit Zylinderlinsen, ähnlich den verbesserten Auto-Panatar-Anamorphoten zur 35-mm-Aufnahme. Diese Linsenanamorphoten ließen mehr Licht durch als die weniger effektiven Prismenoptiken.

Im Vergleich mit Todd-AO, Super Panavision, M.C.S. 70 und anderen 70-mm-Systemen, die sphärische (also nicht-anamorphotische) Aufnahmeoptiken verwenden, hatte Ultra Panavision eine deutliche Einschränkung: Es gab keine wirklichen Weitwinkelobjektive. Aufnahmen wie in Around the World in 80 Days mit dem Todd-AO “Bugeye”-Objektiv oder die dreidimensional wirkenden Außenaufnahmen in The Agony and the Ecstasy (1964, Todd-AO) waren in Ultra Panavision nicht möglich. Die Prismenanamorphoten ließen keine kurzen Brennweiten zu.
18) Die Szenen unter Deck in Mutiny on the Bounty lassen erkennen, wie das Fehlen kurzer Brennweiten die Bildgestaltung einschränkte. Es ist anzunehmen, daß für MGM und Panavision die Vermeidung von Randverzeichnungen und das übergroße Bildseitenverhältnis wichtiger waren als die kurzen Brennweiten. Filme dieser Größenordnung wurden damals ohnehin in gebauten Sets gedreht, so daß man die Raumwirkung stets unter Kontrolle hatte. Drehs an engen Originalschauplätzen, wie sie später eindrucksvoll in Otto Preminger Exodus (1960) mit kurzen Brennweiten in Super Panavision zu sehen waren, hielt man nicht für besonders wichtig.

Eine Tabelle von 1966 im A.S.C. Manual, einem Handbuch für Kameraleute und Techniker, weist für Ultra Panavision insgesamt acht verfügbare Brennweiten aus, und zwar 35mm als kürzeste und 300mm als längste. Einiges deutet darauf hin, daß anfänglich ein 55mm-Objektiv (63,9° horizontal) die kürzeste Brennweite war und sowohl das 50mm (69,4°) als auch das 35mm (92,3°) erst später hinzukamen, als Panavision für neue Optiken Zylinderlinsen statt Prismenblöcken einsetzte. Das für Ben-Hur konstruierte 320mm-Tele mit Prisma taucht in der Aufzählung von 1966 nicht mehr auf, dafür ein 300mm.

Das Fehlen eines starken Weitwinkels führte dazu, daß Ultra Panavision-Filme auf tiefgewölbten Bildwänden nicht ganz die räumliche Wirkung entfalten konnten, wie es bei sphärisch gedrehten 70mm-Filmen möglich war.
19) Aufnahmen mit dem

Ultraweitwinkel von Todd-AO , das einen Bildwinkel von 128° erfaßte oder mit dem kürzesten Brennweiten von Super Panavision und Dimension-150 (Patton, The Bible) konnten der räumlichen Illusion des dreistreifigen Cinerama-Bildes sehr nah kommen.
20)
 
 

Wilder Westen und Märchenwelten: Spielfilme in Cinerama

 
Was tat sich inzwischen bei Cinerama? Nachdem man zehn Jahre lang in reinen Travelogues (Reise- und Naturfilmen) den Globus abgegrast hatte, einigten sich MGM und Cinerama Inc. auf eine Kooperation, in deren Folge zwei Spielfilme im dreistreifigen Cineramaformat entstanden. How the West Was Won ist bis heute ein atemberaubendes visuelles Erlebnis und war ein großer kommerzieller Erfolg, während Wonderful World of the Brothers Grimm auf dem internationalen Markt deutlich schlechter abschnitt. Es zeigte sich, daß die Produktion von Spielfilmen mit der Dreistreifen-Cineramakamera um ein Vielfaches komplizierter war als die Aufnahme von Travelogues. Nicht nur mußte man die Nahtstellen zwischen den drei Bildpanelen kaschieren, selbst Blicklinien zwischen Darstellern und Bewegungen über die Bildbreite wurden ein gestalterisches und logistisches Problem. “Old three-eyes”, wie die monströse Kamera genannt wurde, sah einfach alles, zuweilen auch den Regisseur John Ford, der sich aus Gewohnheit nach vorn beugte, um der Darstellung der Akteure besser folgen zu können.

Ein weiteres Problem bestand in der Auswertung außerhalb der Cinerama-Theater: 35mm-Kopien im Scopeformat beschnitten das Bild seitlich, auch wirkten die Trennstreifen und Farbunterschiede zwischen den drei Teilbildern störender als in der überwältigenden Panoramaprojektion. Die Bildfrequenz wurde bei den MGM-Cinerama-Filmen auf 24 B/s reduziert, wie es für 35-mm-Kinos üblich war. Trotz des Erfolges von How the West Was Won war MGM nicht bereit, eine weitere Cinerama-Produktion zu wagen. In der Folge wurde Cinerama von der Kinokette Pacific Theatres aufgekauft. Diese stoppte zunächst die laufende Entwicklung der neuen Cinerama-Technik, welche den vollen räumlichen Panoramaeffekt bei gleicher Auflösung und ohne störende Trennlinien bieten sollte. Man entschied sich, die existierenden Cinerama-Theater auf 70-mm-Projektion umzustellen und zukünftig Ultra Panavision als Produktionsformat zu wählen. Der erste in “single-lens Cinerama” präsentierte Film war Stanley Kramers Komödie It’s a Mad, Mad, Mad, Mad World (1963). In den USA genießt der Film bis heute Kultstatus und eine für europäischen Geschmack nicht immer nachvollziehbare Verehrung. Fotografisch ist er mit seinen aufwendigen Auto- und Flugzeugstunts, tiefenscharfen Landschaftsaufnahmen und dem kompromißlos über die Bildbreite aufgereihten Staraufgebot mehr als eindrucksvoll.

Für die Auswertung mit “single-lens-Cinerama”, also in 70mm Ultra Panavision auf tiefgewölbten Bildwänden, stellte das Technicolor-Kopierwerk Kopien her, deren Randzonen durch eine Spezialoptik seitlich komprimiert wurden, um Verzeichnungen durch die Bildwandkrümmung auszugleichen. Solche Kopien wirken natürlich merkwürdig, wenn man sie auf einer flachen Bildwand vorführt, aber das Verfahren wurde auch bei den späteren Ultra-Panavision-Filmen Battle of the Bulge (1965) und Khartoum (1966) eingesetzt.
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Technicolor war übrigens auch in der Lage, aus einem Breitfilmnegativ drei Einzelfilme zur Projektion in Cinerama-Kinos herzustellen. Das wurde bei How the West Was Won für mehrere Einstellungen praktiziert, damit man in Actionsequenzen die leichteren Ultra Panavision-Kameras anstelle der schweren und unbeweglichen dreiäugigen Cinerama-Appartur einsetzen konnte. Einige spektakuläre Kampf- und Massenszenen entlieh man sich für die Bürgerkriegs-Episode aus Raintree County (Camera 65) und The Alamo (Todd-AO), sie wurden am optischen Printer auf drei Cinerama-Streifen aufgeteilt.
 
 

Durch die Wüste in Ultra Panavision: Georges Stevens unendliche Geschichte

 
Cinerama Kamera am Set von DAS WAR DER WILDE WESTEN

Neben Mutiny on the Bounty gab es eine weitere problembeladene Produktion in Ultra Panavision, die Rede ist von George Stevens’ The Greatest Story Ever Told. Geplant als definitive Filmbiographie des Jesus von Nazareth, begannen die Dreharbeiten 1962 in dreistreifigem Cinerama, wurden aber nach drei Drehtagen abgebrochen und später in Ultra Panavision neu begonnen. Ob und wieweit diese Entscheidung mit den MGM/Cinerama-Koproduktionen zu tun hatte, ist bis heute nicht geklärt.

Möglicherweise wollte United Artists nicht das Risiko eingehen, Stevens bekannten Filmmaterialverbrauch zu verdreifachen, oder man wollte die weltweite 35-mm-Auswertung nicht durch

Trennstreifen beeinträchtigt sehen. So endete die Spielfilmproduktion im echten Cinerama, einen weiteren Anlauf gab es nicht mehr. Greatest Story kam wegen Stevens endlosen Auseinandersetzungen mit United Artists erst zwei Jahre nach seiner Fertigstellung ins Kino. Die Kosten waren auf 20 Millionen Dollar gestiegen, Stevens belichtete unglaubliche 1,8 Millionen Meter 65-mm-Film, was einem Drehverhältnis von mehr als 200:1 entspricht. Optisch bekam United Artists durchaus etwas geboten für die Millionen: Stevens hatte beschlossen, seinen Bibelfilm nicht im heiligen Land zu drehen, sondern in den eindrucksvollsten Landschaftsformationen, die der amerikanische Südwesten zu bieten hatte. Die Salzseen Utahs, Death Valley und Pyramid Lake in Nevada sind in atemberaubenden Totalen und faszinierenden Lichtstimmungen eingefangen. Die Kameraarbeit von William C. Mellor - er verstarb während der Dreharbeiten - und Loyal Griggs ist das größte Kapital des gravitätisch inszenierten, dafür aber unnötig mit Stars überfrachteten Vierstundenwerkes. In manchen Szenen verliert man sich in der Betrachtung einer Felsformation, eines Wasserstrudels oder einer kleinen Gruppe in der überwältigenden Landschaft, so daß fast der Eindruck entsteht, einen Dokumentar- oder Experimentalfilm zu sehen. Auf Hollywood-typische Makeup- und Filterkonventionen wurde verzichtet, das Bild ist stets klar und auf Räumlichkeit hin komponiert. Bei allen Fehlern des Films muß man zugeben, daß das Ultra Panavision-Format hier tatsächlich zum Window of the World wurde.
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Die späten 1960er: Breitfilm-Dämmerung

 
1968, zwei Jahre nachdem mit Khartoum die Produktion in Ultra Panavision beendet war, kam Ben-Hur in Wiederaufführung in die Kinos. Seit 1960 hatte sich die Zahl der 70-mmfähigen Kinos zwar erhöht, aber nur wenige davon verfügten über anamorphotische Optiken und die superbreite Bildwand für 1:2,76 23). Daher stellte MGM eine entzerrte und seitlich auf das normale 1:2,21 beschnittene Ben-Hur-Fassung her, die auf breiter Front einsetzbar war. Die Bildqualität entsprach nicht den ursprünglichen, in direkter Kontaktkopierung vom Kameranegativ entstandenen anamorphotischen Kopien, vermutlich wollte man eine erneute Belastung des wertvollen Originalnegativs nicht riskieren.

Die “gepreßten” Ben-Hur-Kopien blieben aber bis Ende der 1980er Jahre parallel im Verleih, wobei es manche Aufführungen gab, in denen einige Rollen des Films komprimiert und einige sphärisch liefen. Neben dem unregelmäßig auftretenden “Verschlankungs-Effekt” fiel auch das unterschiedliche Verblassen der Farben in den Rollen von 1960 und 1968 deutlich auf. Der unvermeidliche Farbschwund des Eastmancolor-Positivmaterial führte zu der traurigen Situation, daß Ben-Hur seit Jahrzehnten nicht mehr im originalen Bildformat und mit korrekten Farben zu sehen war - das gilt natürlich für fast alle älteren 70-mm-Produktionen. Auch vollständige, farblich gefadete Camera-65-Kopien und digitale Restaurierungen können echte 70-mm-Fans darüber nicht hinwegtrösten.

MGMs Geschäftsbeziehung mit Panavision blieb bestehen, und neben zahllosen in 35mm Panavision gedrehten Spielfilmen entstanden bis Anfang der 1970er Jahre mit sphärischem 65mm gedrehte Großproduktionen wie Grand Prix (1966), Ice Station Zebra (1968) und Ryan’s Daughter (1970). Viele dieser Filme wurden auf stark gewölbten Bildwänden gezeigt und als “Cinerama” beworben. Ein solcher Fall ist auch 2OO1: A Space Odyssey (1965-68). Regisseur Stanley Kubrick, der vor jedem Film ausführliche Objektivtests durchführte und eine große Sammlung eigener Optiken besaß, zog schließlich die sphärischen Objektive von Super Panavision vor - der fertige Film enthielt dann auch viele extreme Weitwinkelaufnahmen, die mit Ultra Panavision so nicht machbar gewesen wären. Mit Sicherheit hätte um den Faktor 1,25 komprimiertes Bildmaterial auch die visuellen Effekte komplizierter gestaltet.
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Beim Kriegsfilm The Battle of the Bulge, einer Koproduktion von Warner Bros. und Cinerama Inc., wurde dem Regisseur Ken Annakin vom Produzenten George Foreman eigens ein Kameramann geschickt, um unabhängig vom Hauptteam spektakuläre Aufnahmen mit bewegter Kamera zu drehen, die auf tiefgewölbten Bildwänden in „single-lens Cinerama“-Theatern den Betrachter an die Stelle von Panzerfahrern und Stuka-Bomberpiloten versetzen sollten.
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Ähnlich wie Raintree County gelangte auch The Fall of the Roman Empire (1964) nicht im Originalformat auf die Leinwand. Aufgenommen in Ultra Panavision, lief Anthony Manns Historienspektakel nur in sphärischen Breitfilmkopien auf 1:2,21. Die Vorführkopien entstanden bei Technicolor London in optischer Schrittkopierung vom Kameranegativ, wobei die 1,25x-Anamorphose aufgehoben und das 1:2,76-Bild seitlich beschnitten wurde. Es ist nicht bekannt, was der Grund hinter dieser Entscheidung war, aber die Bildqualität ist trotz des Flächenverlustes exzellent. Der Verfasser meldet hiermit dringend den Wunsch nach einer neukopierten 70-mm-Fassung im unbeschnittenen 1:2,76-Ultra Panavision an!
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Am Ende des Jahrzehnts ging die Zeit der auf 65mm aufgenommenen Spielfilme zuende, wenn auch weiterhin Blowups von 35mm auf 70mm in den großen Kinos zu sehen waren. Es sei daran erinnert, dass nahezu alle 70-mm-Filme auch nach dem allgemeinen Ende der 65-mm-und Large-Format-Aufnahmepraxis noch viele Jahre lang beim Kinopublikum präsent blieben. Bis weit in die 1980er Jahre hinein wurden 70-mm-Klassiker als Reprisen, in Matinees und Filmreihen gespielt, so dass die Produktionen der 1960er Jahre noch Jahrzehnte später ihr Publikum fanden. Erst mit dem Siegeszug der Multiplexe, des Blockbuster-Kinos und dem allmählichen Verschwinden der Repertoirepraxis wurden die Klassiker nach und nach von den 70mm- Bildwänden vertrieben, so wie auch viele für Breitfilm optimaleingerichtete Traditionskinos in der sich wandelnden Filmtheaterwirtschaft aufgeben mussten.
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2015: Ein Dinosaurier wird reanimiert

 
On the set of Quentin Tarantino's "The Hateful Eight", the Panavision System 65 camera, Robert Richardson and crew. The last week of shooting in Telluride in Ultra Panavision 70 (ultimo March 2015). First AC Gregor Tavenner, Cinematographer Robert Richardson ASC and Panavision's Bob Harvey & Jim Roudebush.

1,25x Ultra Panavision squeeze added for authenticity.

Zurück in die Gegenwart: Quentin Tarantino hat sich keineswegs darauf beschränkt, The Hateful Eight in einem vor 49 Jahren ausgestorbenen Filmformat zu drehen, sondern sich auch vorgenommen, das Konzept der echten Roadshow wiederzubeleben. 28) Sein Film wird Ende diesen Jahres zunächst in etwa 50 ausgewählten Kinos starten, die mit komplett überholten und instandgesetzten 70-mm-Projektoren ausgestattet wurden - die breite Auswertung in Digitalprojektion und 35mm beginnt erst zwei Wochen später. Da seit der Digitalisierung der Kinoprojektion kaum noch erfahrene Vorführer tätig sind, die sich mit der Handhabung des Breitfilmmaterial auskennen, haben mehrere kinotechnische Fachfirmen die Betreuung dieser Roadshow-Einsätze mit erfahrenem Personal in die Hand genommen. Eine kluge Entscheidung, weil sich bei 70-mm-Einsätzen in den letzten Jahren - etwa bei P. T. Andersons The Master und Christopher Nolans Interstellar - gezeigt hat, daß weltweit selbst in Traditionskinos mit großem Namen die teuren Kopien vielfach nach wenigen Tagen irreparabel beschädigt wurden.

Die für 70-mm-Fans entscheidende Frage bleibt aber, ob Tarantino und sein Kameramann Robert Richardson einen fotografischen Stil gefunden haben, der die Verwendung des anamorphotischen 65-mm-Formates zu einem besonderen visuellen Erlebnis macht, oder ob sie heute gängige Stilmittel und Klischees nur im Ultra Panavision-Format extrabreit auswalzen. Es ist zu hoffen, daß der Regisseur bei diesem Projekt, dessen Technik ihm offenkundig sehr am Herzen liegt, zu dem klassischen und visuell anregenden Stil zurückfindet, der Filme wie Pulp Fiction interessant gemacht hat. Jedem, der sich nun im Vorfeld darüber beschwert, daß The Hateful Eight über weite Strecken in einer eingeschneiten Blockhütte spielt, kann man nur einen Satz von Jacques Tati (Playtime) entgegenhalten: “Ich finde 70mm ganz ausgezeichnet, um einen Bleistift vom Tisch fallen zu lassen.”
 
 

Notes

 
1) Kill Bill wurde sphärisch mit modernen Optiken im Super-35-Format aufgenommen.

2) Zu den technischen Fragen der Reaktivierung von Ultra Panavision für The Hateful Eight: Purcell, Tyler: Panavision and the Resurrecting of Dinosaur Technology

3) Allerdings gelang es 20th Century Fox nicht, alle Kinobesitzer zum Einbau stereophoner 4-Kanal-Magnettontechnik zu zwingen. Am Ende lenkte das Studio ein, gestattete alternativ Abspielen in Mono und lieferte bald auch die üblichen einkanaligen Lichttonkopien.

4) siehe auch Die Kino-Revolution fand nicht statt: Breitfilm und Breitwand um 1930

5) vgl. Belton, John: Wide Screen Cinema, Harvard 1992

6) Ein ähnliches System bot ein anderer Hersteller unter dem Namen Tushinksy Lens oder SuperScope an. In der Praxis gab es immer nur den Faktor 2, wenn man von den Cinestage-35-mm-Kopien absieht, die man für Around the World in 80 Days hergestellt hatte (Faktor 1,56). Bei allen neuen Aufnahmesystemen achteten die Studios darauf, dass das Endprodukt auf 35mm mit CinemaScope kompatibel blieb. In England gab es kurzzeitg anamorphotische VistaVision-Kopien mit Faktor 1,33x auf 35mm.

7) Auch bei Technirama-70 kamen Micro-Panatar-Objektive zum Einsatz, wenn das mit dem Faktor 1,5 komprimierte 8-perf Kameranegativ mittels optischer Schrittkopierung auf die 70-mm-Positivmaterial kopiert wurde. Bei solchen Umkopierungen findet sich im Vorspann der Credit „photographic lenses by Panavision“.

8) So erinnert sich ein Mitarbeiter von Technicolor Ltd. in einem BFI-Interview an Lawrence of Arabia als anamorphotische 65-mm-Produktion – der Film entstand aber in sphärischem Super Panavision.

9) Shearer, Douglas: MGM Panavision Enlarged-film System, internes Memo, Culver City 1955;

10) Ein Zeitungsbericht des Los Angeles Herald & Express vom 27. April 1953 berichtete über MGMs neues “Arnoldscope”-Verfahren (wegen des Bildschritts auch “ten-holer” genannt), welches durch Reduktionskopierung schärfere CinemaScope-Kopien erzeugen solle.

11) zur Technik von Todd-AO

12) zur Technik von CinemaScope 55

13) Technicolor hatte durch langjährige optische Arbeiten bei der Herstellung von dreistreifigen Farbaufnahmen mehr Erfahrung als jedes andere Kopierwerk. Anfang 1955 verbesserte man die Schärfe des Farbdruckverfahrens, um den Anforderungen der Breitbildformate nachzukommen. Die Kombination von Aufnahme auf Eastmancolor-Negativ in allen Formaten und Endfertigung der Kinokopien im Druckverfahren blieb für die kommenden Jahre eine Schlüsseltechnik.

14) Zur Bedeutung und Chronologie der Arbeit von Panavision, Inc.: Mitchell, Rick: Ultra Panavision 70 - An Introduction (2005). Heuel, Hans-Joachim, Die Panavision Story, Film+TV Kameramann, Mai 1986, S. 384ff Bijl, Adriaan: The Importance of Panavision. Micro Panatar Kopieroptik von Panavision

15) Zur zeitgenössischen Rezeption und Vermarktung des Films siehe auch: Witte, Gerhard: Zur Erinnerung an William Wylers monumentales Epos BEN-HUR, gefilmt in MGMs Camera 65

16) Merle Chamberlin leitete MGMs Editorial Department, die Angaben stammen aus seinem Vortrag bei der 45. SMPTE-Tagung. Die Preise entsprachen übrigens damals DM 7.100 für 35mm und DM 36.750 für 70mm! Zitiert nach: Der Deutsche Kameramann, Jahrgang 9, Nr. 12, Dezember 1960, S. 243f

17) Der Panavision-Techniker Tak Miyagishima bestätigte diesen Sachverhalt mehrfach, s.a.: + widescreenmuseum.com

18) Barry Salt nennt in Film Style and Technology: History and Analysis (London 1977) für Ultra Panavision einen Brennweitenbereich von 57 bis 220mm. - Die enge Abstufung zwischen 50 und 55mm ist ungewöhnlich, daher die vorläufige Annahme, daß das 55mm das ursprüngliche Prismendesign aufweist, das 50mm dagegen ein späterer und lichtstärkerer Zylinderlinsen-Anamorphot ist. Leider sind in der Tabelle und mir zugänglichen Panavision-Dokumenten keine Lichtstärken angegeben. Im tabellarischen Vergleich der Bildwinkel zwischen sphärischem und anamorphotischem 65/70mm ist der vertikale Bildwinkel aussagekräftiger, weil der horizontale Winkel durch das anamorphotische Element beeinflusst wird. Bei gleicher Bildwandhöhe im Kino ist in diesem Sonderfall die Bildperspektive dann identisch, wenn die vertikalen Winkel übereinstimmen.

19) Ähnliches galt übrigens für Technirama, weil der Strahlengang im Delrama Prismenvorsatz den maximalen Bildwinkel begrenzt. VistaVision, welches das gleiche Aufnahmeformat (8-perf 35mm) nutzt, konnte hingegen nahezu alle in der Kleinbildfotografie verwendeten Weitwinkelobjektive einsetzen.

20) Ursprünglich sollte Todd-AO nur mit dem Weitwinkel aufgenommen werden. Dr Brian O'Brien schreibt dazu:

„Initially we intended to have only the “Bug Eye” lens, analogous to Cinerama‘s equivalent of only one “lens”. However, the Hollywood types insisted that they must have a series of “longer focus” lenses for close-ups etc. We tried to explain to them that they would lose the audience participation effect if they went to narrower angles, but they insisted that they would only use them for close-ups. As a result we gave them 64, 48 and 32 degree lenses in addition to the 128 degree Bugeye. It was the biggest mistake we ever made! These great “professional” cinematographers and directors didn’t have the faintest idea how to use the wide angle or participation effect...“ zit.

21) MGM selbst legte ursprünglich keinen übermäßigen Wert auf tiefgewölbte Bildwände. Im Berliner MGM-Theater („Fenster zur Welt“) wurde sogar eigens für Ultra Panavision eine flache Bildwand installiert.

22) Der Arrangeur und Chorleiter Ken Darby hat über die Probleme der Produktion mit Stevens ein spannendes Buch geschrieben: Hollywood Holyland: The Filming and Scoring of ‘The Greatest Story Ever Told’. Metuchen, New Jersey: Scarecrow Press, 1992

23) Verschiedene Quellen nennen eine Zahl von maximal 100 Kinos weltweit, die Ultra Panavision spielen konnten. Darin sind allerdings auch Filmtheater enthalten, die die volle Breite nur bei reduzierter Bildhöhe auf ihrer Todd-AO-Bildwand wiedergeben konnten.

24) zu Kubricks Objektivwahl s.a.: Das Handwerk des Sehens in Stanley Kubrick, Kinematograph Nr. 19, S.254f Frankfurt/M. 2004/2007, ISBN 3-88799-068-4

25) siehe auch: Annakin, Ken: So You Wanna be a Director? (2001) ISBN 0-953 1926-5-2 Interview mit Ken Annakin

26) Obwohl keine anamorphotischen 70-mm-Kopien von Roman Empire bekannt sind, ist nicht auszuschließen, daß es dennoch welche gegeben haben könnte, eventuell für die Premiere. Auch bei Raintree County deutet vieles auf eine 70-mm-Kopie für die Premiere hin. Rick Mitchell merkt dazu an: “However, cinematographer John Hora [AdÜ: Gremlins, The Howling] remembers seeing a 70mm print at MGM when he was a USC Cinema student in the early Sixties.” In der Branchenzeitschrift „The Film Daily“ war am 13. September 1957 unter der Überschrift „M-G-M’s Flexible ‚Raintree’ Policy“ zu lesen: „M-G-M sources say that wide.gauge projection will be employed at the Louisville house [Premierenkino am 2. Oktober 1957] to provide optimum results, and that big prints can be made available to other roadshow houses capable of using them.”

27) Jean-Pierre Gutzeit gibt anhand des Berliner Royal Palast, dem Kino mit Europas größter 70-mm-Bildwand, eine gute Übersicht über die Rezeption und Bedeutung der Breitfilmtechnik seit Anfang der sechziger Jahre.

28) Interview mit Quentin Tarantino
 
 
   
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Updated 21-01-24